Herr der Bienen
Fotos: Mirco Taliercio
Text: Nina Wessely
ARTIKEL VERÖFFENTLICHT IM
S MAGAZIN 5
S MAGAZIN BESTELLEN
Die Terroirdiskussion verlässt weinisches Terrain: Honig als Abbild der Region, in der die fleissigen Bienen ihn produzieren. Konkret steirischer Honig von Imker Johannes Gruber. Und Honig im Jahrgangsvergleich. Eine Betrachtung der Landschaften im Glas mit Restzuckerwerten aus 16 Millionen Fühlern.
Fotos: Mirco Taliercio
Text: Nina Wessely
ARTIKEL VERÖFFENTLICHT IM
S MAGAZIN 5
S MAGAZIN BESTELLEN
Revoluzzer im Geiste sind Musiker, Künstler, Köche. Oft jedenfalls. Seltener sind es Imker. Und auch beim ersten Zusammentreffen mit Johannes Gruber im steirischen Buch am Buchberg wackelt dieses Klischee anfangs noch nicht. Aber bald stellt sich heraus, dass auch in Johannes Grubers Brust ein Revoluzzerherz schlägt. Eines, das für mehr Bewusstsein und Herkunftsgedanken kämpft. Auch im Honig. Viel früher schon glaubte er an die natürliche Kraft der Natur im Wein. Naturweine, pur abgefüllt. Diese verkaufte der Steirer in Paris und Südfrankreich, als man den Begriff Biodynamie hierzulande oft nur hinter vorgehaltener Hand aussprach.
Heute sind Natur- und Bioweine ein alter Hut für Revoluzzer. Vielleicht gießt Johannes Gruber deshalb jetzt auch Landschaften in Form von Honig ins Glas und ist zu diesem Zwecke aus der Grand Nation wieder zwischen die Hügelketten der Oststeiermark gezogen, wo er nun gewaltig an der bloßen Unterscheidung zwischen Blüten- und Waldhonig rüttelt. „Die Bienen bilden im Honig die Landschaft ab, in der sie leben.“ Und das ist bei einem Flugradius von vier Kilometern recht eng gefasst. Wie ein Grand Cru aus dem Burgund, der auch aus wenigen Hektar Anbaufläche seine Region im Wein charakterisiert. „Einmal Waldhonig bitte“ – das ist für Gruber nicht genug. Vielmehr sollte es heißen: „Einmal Stuhleck Gebirgswaldhonig, Jahrgang 2013.“ Am Stuhleck, in den Ausläufern der Fischbacher Alpen und auf 1.200 Metern Seehöhe, stehen einige Stöcke des Wanderimkers. Wobei dieser seine Stöcke nicht wie vor 200 Jahren auf den Rücken gegurtet auf die Alm bringt. Heutzutage sind auch Wanderbienen mobil. Im Fall von Johannes Gruber reisen sie in einem alten VW-Bus, mit dem die Süd- und Oststeiermark durchkreuzt werden. Pro Saison bis zu dreimal. Immer dann, wenn die Tracht, also die Dauer einer Blüte wie beispielsweise der Akazie, vorbei ist und es somit Zeit ist, weiterzuziehen. Etwa in den Wald oder aufs Sonnenblumenfeld.
Die Bienen sammeln dabei jedes Mal fleißig und füllen die Waben mit Honig. Einmal aus Buchweizenpollen und dann wieder in den Kirschblütenhainen knapp an der slowenischen Grenze. Gruber entnimmt die vollen Waben und ersetzt sie durch leere. „Man muss nur wissen, was wann wo blüht und muss sich natürlich mit den Landwirten abstimmen“, so der Imker. Die im Endeffekt auch von den Bienen auf ihrem Grund profitieren. Ein ausgeklügeltes System, das sich der schlaueste Wirtschaftler nicht besser hätte ausdenken können. Auf allen Seiten nur Gewinner und Gewinne. In Honig gesprochen 40 bis 50 Kilogramm pro Stock. „Dabei entzieht sich die Imkerei der Industrialisierung fast zur Gänze“, erklärt der ehemalige Weinhändler. Die Bienen hielten das schlichtweg nicht aus. Profitmaximierung oder zu massive Völkerteilung, um noch mehr Bienenstöcke zu erhalten, funktionieren nicht. „Die Bienen sterben.“ Daher sei ein Imker auch nur Hüter der Bienen. Wirklich beeinflussen kann man sie nicht. Aufgabe des Imkers ist, zu sehen, dass die Tiere immer genügend, aber auch nicht zu viel Platz in ihren Stöcken haben. „Die Temperatur ist entscheidend. Ist der Stock zu groß, ist es zu kalt. Sind es zu viele Bienen auf einem Fleck, besteht die Gefahr, dass sie ausschwärmen.“ Sprich abhauen, um es sich dann in einem hohlen Stamm oder in irgendetwas, das ihnen geeigneter erscheint, gemütlich zu machen. Um diese Risiken zu umgehen, muss man den Bienen schon mindestens alle zehn Tage einen Besuch abstatten. Schon dieser Umstand begrenzt die maximale Anzahl an Bienenvölkern, die ein Imker betreuen kann. Im Fall von Johannes Gruber immerhin 200 mit im Sommer 40.000 Tieren pro Stock und mehr.
Bei besonderen Wetterverhältnissen, wie massivem Regen etwa, heißt es sogar öfters bei den acht Millionen Haustieren vorbeischauen. Da ist die Ausschwärmgefahr höher. Ergo hat Grubers alter VW-Bus auch schon viele Kilometer auf dem Buckel. Während der Saison – beginnend mit der Blüte der Vogelkirsche Mitte März bis zu den Neophyten wie Goldregen und Springkraut im September – ist Stillstand ein Fremdwort, dafür wollen die Bienen danach in Ruhe gelassen werden. „Die Anfütterung der Tiere für den Winter mit Zuckerwasser ist mit Ende September erledigt“, so Gruber. Dann heißt es warten, leere Wabengestelle für die kommende Saison basteln und den Honig aus der Produktion im Sommer unter die Leute bringen. Die Generation der Winterbienen – Tiere, die darauf ausgerichtet sind, die Temperatur im Stock zu halten – kuschelt sich währenddessen rund um die Königin. Bis diese Ende Februar beginnt, Eier für die Generation der Sommerbienen zu legen. Bienen mit Hummeln im Hintern quasi, die es nicht erwarten können, auszuschwärmen und sich auf die Suche nach dem besten Nektar an den verschiedensten Standorten in der Steiermark zu machen.
Hochwertiger Honig ist Jahr für Jahr ein
Abbild seiner Herkunft.
Johannes Gruber
Was die Sommerbienen 2015 und davor geleistet haben, darf der Honigverkostungs-Rookie nun in 23-facher Ausführung probieren. Die Reise beginnt dabei in den Auwäldern entlang der Lafnitz, geht weiter über das Hochplateau bei Waisenegg voller Löwenzahn und schließlich in den Naturpark Raab, in dem die Bienen die Kirschblüte voll ausgenutzt haben. In Honig gegossen ein cremiges Ergebnis mit Kirschblütenduft und Marzipan. Dann geht es in den Wald – zuerst zu den Fichten im Naintschgraben. „Hier hat mein Vater 2015 einen seiner besten Waldhonigjahrgänge geerntet. Mit 85 Jahren.“ Auch der Naintschgraben des Sohnes hat es in sich: Orangenschalen und Karamell, feinwürzig. Wobei es ohne ein Geschenk des Vaters niemals zum Honig des Sohnes gekommen wäre: zwei Bienenstöcke, übergeben 1999. Aus denen inzwischen 200 geworden sind. Mit einer Philosophie, die sich für den Pioniergeist Johannes Gruber immer mehr herauskristallisiert und die daher noch besonders betont werden will: Honig ist das Abbild der Landschaft, in der er entsteht. Und Honig kann reifen. Eine Meinung, die der Imker mit Gebirgswaldhonig vom Stuhleck von 2003 bis 2015 unterstreicht, der nicht nur die Lage, sondern auch das Wetter des jeweiligen Jahres widerspiegelt. „2012 war kein so besonderer Waldhonig-Jahrgang. Dafür ist der Löwenzahnhonig besonders intensiv und fein ausgefallen“, so der Imker mit den Winzeranklängen. Der Jahrgang 2004 vom Gebirgswaldhonig katapultiert einen kurzfristig überhaupt in die Weißtannenwipfel vom Stuhleck. Elegant und ewig. Stimmt eigentlich – warum sollen auch nur Trauben das Privileg haben, Landschaften abzubilden? Eine Frage, die erst ein Querdenker stellen muss, um dann Wellen zu schlagen, die weit über den Vier-Kilometer-Flugradius einer Honigbiene hinausreichen.
Storys
Geschichten über Menschen, die von Liebe und Leidenschaft für ihr Produkt angetrieben werden. Die Artikel sind in den S Magazinen des Steirereck erschienen und alle vier Monate finden Sie an dieser Stelle neue Storys zu einem ausgewählten Thema.
Zur Newsseite