Der Mann, der für das Feuer brennt.
FOTOS: Mirco Taliercio
TEXT: Tobias Müller
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Georg Lindenbauer baut die vielleicht spektakulärsten Holzöfen der Welt. Nun hat die Spitzengastronomie ihn entdeckt.
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Man könnte Georg Lindenbauer einfach als Ofenbauer bezeichnen. Er selbst sagt lieber, er sei der „wichtigste Vertreter der beheizbaren Großplastik“, seine Website heißt Heizobjekte.at. Das soll schon lustig klingen, ist aber trotzdem ernst gemeint. Wer jetzt glaubt, es mit einem abgehobenen Künstler zu tun zu haben, irrt. Wenn man ihn fragt, was ein guter Ofen ist, sagt er: „Es muss funktionieren und geil ausschauen.“
Seine „beheizbare Großplastiken“ haben mit ordinären Öfen so viel zu tun wie ein Steirereck-Gericht mit einer Wurstsemmel. Manche sehen aus wie organische Formen, die in einem galaktischen Urwald gewachsen sind, manche wie Alienköpfe, andere erinnern an Entwürfe von Mies van der Rohe oder Le Corbusier. Manche gehen fast als traditionelle Kachelöfen durch, einige haben wilde Oberflächen, etwa aus Ton, den er vor dem Trocknen mit einer Reitgerte geschlagen hat.
Georg Lindenbauer baut kleine Öfen, gerade einmal schulterhoch, und zig Tonnen schwere, SUV-große Konstruktionen, die scheinbar schwerelos schweben und sich drehen lassen. Manche sind so auffällig, dass sie den ganzen Raum für sich einnehmen, andere verschwinden nahtlos in der Wand, sodass nur die Feuerkammer sichtbar ist.
Es ist also schwer, von einem Lindenbauer-Stil zu sprechen – „Ich bin ständig am Improvisieren, jeder Ofen ist ein Prototyp“, sagt er. Wer nach Gemeinsamkeiten sucht, der findet am ehesten eine schlichte, funktionalistische Eleganz, schöne Proportionen und einen gewissen Hang zu einer Weltraum-Ästhetik, die an Stanley Kubricks „2001: Odyssee im Weltraum“ erinnert. Das mit dem „geil ausschauen“ bekommt er ziemlich gut hin.
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Man könnte Heinz Reitbauers neuestes Projekt einfach als Grilllokal bezeichnen, er selbst sagt lieber „Schankkuchl“ dazu. Der Steirereck-Chef hat im Wirtshaus am Pogusch umgebaut und eine offene Küche mit großem Gemeinschaftstisch neben dem Gasthaus geschaffen. Dort serviert er seinen Gästen fast nur Gerichte, die aus dem Feuer kommen: gegrillter Stör mit Artischocke, gegrilltes Kalbsbries, feuergeküsste Schweineschwänze und Fasan. Der Ofen, der das möglich macht, ist Georg Lindenbauers Werk.
„Als wir den Pogusch umgebaut haben, wollten wir unbedingt auch mit Feuer kochen können“, sagt Heinz Reitbauer. „Ein offener Kamin ist schließlich das Typischste, was die Steiermark zu bieten hat. Und den Geschmack, den du vom Kochen mit Holz bekommst, kriegst du mit nichts anderem hin.“ Und weil der Ofen richtig gut sein sollte, rief der Ausnahme-Koch Reitbauer den Ausnahme-Ofenbauer Lindenbauer an. Der erste Kochofen war es für den Künstler nicht – er hat bereits um die 20 gebaut – aber es war der erste in dieser Größe.
Lindenbauer hat für den Pogusch eine „Feuermaschine“ aus Stahl und Ziegeln entworfen, 13 Tonnen schwer und knappe acht Meter breit. Wenn sie auf Hochtouren läuft, dann ziehen 7800 Kubikmeter Luft pro Stunde durch, das Volumen von sechs Einfamilienhäusern. Die Konstruktion ist Brotbackofen, Herd, Grill und Rotisserie in einem und ausschließlich mit Holz befeuert. Ein mächtiger Abzug sorgt dafür, dass nur das Essen und nicht die Gäste mit Grillaromen gewürzt werden.
Die Köche haben zwei Backrohre mit verschiedenen Temperaturen zur Verfügung, etwa zwei Quadratmeter Kochplatte, vier Grillbecken mit höhenverstellbaren Rosten und einen Bereich, in dem sich vertikal, also wie für einen Kebapspieß, mit Kohlen grillen lässt. „Es ist wie neu kochen lernen“, sagt Heinz Reitbauer. „Und es ist viel mehr möglich, als wir gedacht haben.“
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In der Früh, gegen 8:15 Uhr, wird das erste Mal im großen Feuerkessel eingeheizt, die Grundlage für einen guten Tag. Dann wird regelmäßig nachgelegt und Glut hierhin und dorthin geschaufelt oder mit einem kleinen Fächer noch einmal extra angefacht, bevor das Fleisch darüberkommt. In den Backrohren wird nicht nur Brot gebacken, sondern werden auch Stelzen geschmort, unter dem Abzug hängen ganze Fische, die hier ganz langsam und sanft geräuchert werden. „Analoges Kochen“ nennt Küchenchef Manuel Weissenböck das. „Es ist eine Herausforderung, aber macht irrsinnig stolz.“
So wie alle Lindenbauer-Objekte ist auch der Poguschofen ein Prototyp, etwas noch nie Dagewesenes. Lindenbauer und Reitbauer haben gemeinsam am Modell getüftelt und sich diverse Features ausgedacht. Einges, wie die Backöfen, funktioniert großartig, manches, wie die Wärmerückgewinnung fürs Warmwasser, noch nicht so perfekt – alles in allem aber ist der Ofen eine erstaunliche Maschine.
Damit sie nicht nur geil ausschaut, sondern auch funktioniert, ist angewandte Physik vonnöten. So wie bei allen Öfen muss die Größe von Oberfläche und Innenraum korrespondieren, der Schornstein darf nicht zu lang und nicht zu kurz sein und, am Allerwichtigsten, der Zug muss passen.
Hinter den Feuerräumen hat Lindenbauer ein genau berechnetes Labyrinth aus sich windenden, immer enger werdenden Gängen errichtet. Weil dadurch die gleiche Menge heiße Luft durch immer schmälere Öffnungen muss, wird die Strömungsgeschwindigkeit höher, ganz wie an einer engen Stelle eines Flusses. Das sorgt dafür, dass das Feuer ordentlich lodert.
In den vergangenen 35 Jahren, seit er den Job macht, hat Lindenbauer hunderte Öfen errichtet. Gesetzt, wie der Ofenbauer sagt. In Klosterneuburg, wo er lange gelebt hat, stehen etwa 60, der Rest ist rund um die Welt verstreut. Das gibt einem einen ganz guten Eindruck davon, wie viel der Mann arbeitet und wie schnell er lebt, denkt, spricht, sich bewegt. Mitunter schläft er monatelang nur drei Stunden am Tag und tut nichts außer töpfern, brennen, essen, trinken und rauchen. „Ich bin extrem leidensfähig“, sagt er.
Das könnte auch im Guggenheim stehen!
Georg Lindenbauer
Lindenbauer gehört zu jenen Menschen, die nicht schuften, sondern schöpfen. Einmal losgelassen, beginnt er, die Welt um sich herum zu formen, zu verändern und nach seinen Vorstellungen zu gestalten. Seine Öfen entstehen von Grund auf aus dem Nichts. Er arbeitet mit Stahl, Ziegeln, Holz, Keramik oder was ihm sonst gerade unterkommt. Er schneidet, schweißt, sägt, töpfert und brennt seine Keramik-kacheln und Ziegel selbst, mischt Glasuren und baut und zeichnet Modelle. Für ein Projekt hat er 425 Tonnen Ton mit der Hand geknetet, weil Maschinen das einfach nicht so gut hinbekommen.
Selbst die Brennöfen, in denen er die Keramikteile härtet, baut er selbst – ginge auch gar nicht anders, in der Größe, die er für seine meterhohen Skulpturen braucht, gibt es sie nämlich nicht zu kaufen. Und auch sein Studio hat er zu einem guten Teil selbst gebaut.
Lindenbauer hat in Graz eine Keramikschule besucht, dass er nun Öfen baut, verdankt sich seinem Selbstvertrauen und einem Zufall. 1985 fuhr er als junger Mann per Autostopp nach Wien, der Mann, der ihn mitnahm, fragte ihn, ob er einen Kachelofen bauen könne. Lindenbauer, der noch nie einen Kachelofen gebaut hatte, sagte ja. Als er bei seiner nächsten Keramikausstellung Fotos von seinem Werk aufhängte, verkaufte er an einem Wochenende sieben Öfen. Seither hat ihn das gezähmte Feuer nicht mehr losgelassen.
Weil ihm die Welt, wenn er sie formen will, meist gehorcht, ist er mit den Jahren noch selbstbewusster geworden. „Das könnte auch im Guggenheim stehen“, sagt er über eine seiner Arbeiten und scheut auch nicht Vergleiche mit Wassily Kandinsky und Paul Klee. Als man ihm mit 27 eine Assistentenstelle an der Universität für angewandte Kunst in Wien anbot, lehnte er ab. Weniger als eine Professur wollte er nicht nehmen.
Wer am Pogusch in der Schankkuchl isst, muss zugeben: Ein Lindenbauer-Ofen muss tatsächlich etwas Besonderes sein, wenn solches Essen darauf zubereitet werden kann. Es sieht daher so aus, als würde er künftig noch einige „Kochobjekte“ bauen – seit dem Ofen am Pogusch rufen immer mehr Köche bei ihm an. Max Stiegl, Patron des Gut Purbach im Burgenland, hat bereits einen Brotbackofen mit Kochstelle bestellt und auch „Steira Wirt“ Richard Rauch interessiert sich für einen Lindenbauer-Herd. Die funktionieren nämlich, und schauen geil aus.
Storys
Geschichten über Menschen, die von Liebe und Leidenschaft für ihr Produkt angetrieben werden. Die Artikel sind in den S Magazinen des Steirereck erschienen und alle vier Monate finden Sie an dieser Stelle neue Storys zu einem ausgewählten Thema.
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S Magazin 12
Geerntet wird immer später
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