Das Vor vor den Vorspeisen

FOTOS: Philipp Horak
TEXT: Achim Schneyder
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Im Steirereck ist das Körberl ein Wagen. Und am Steuer dieses Wagens steht Andreas Djordjevic. Besser bekannt als Brot-Andi.

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Im alten Steirereck, im Steirereck in der Rasumofskygasse, da gab es etwas, was es im neuen Steirereck, im Steirereck im Stadtpark, anfangs nicht gab. Den Brotwagen. Das Körberl auf Rädern quasi – diese Randbemerkung für all jene, die sich noch an den legendären Brot und Gebäck-Werbespot mit dem Körberl erinnern können. Doch viele der Gäste, die im Jänner 2005 gemeinsam mit dem Lokal in das neue kulinarische Betätigungsfeld an den Gestaden des Wienflusses umgezogen waren, wünschten sich sehr bald den Brotwagen aus der staubigen Garage zurück auf den Genussboulevard.

Dem konnten und wollten sich Birgit und Heinz Reitbauer eines Tages nicht länger verschließen, und so trug es sich zu, dass die Herrin des Hauses auf der Suche nach einem geeigneten Fuhrmann an den damals noch – wie er selbst sagt – „etwas schüchter-nen“ Speisenträger Andreas Djordjevic herantrat und ihm einen Vorschlag unterbreitete. „Die Chefin hat mich gefragt, ob ich ein paar Wochen den Brotwagen übernehmen möchte, wenn dieser nun wieder eingeführt wird“, erinnert sich der heute 31-Jährige mit den serbischen Wurzeln. „Da dachte ich mir, nimm all deinen Mut zusammen und probiere es.“

Aus ein paar Wochen und dem Probieren sind nun bald elf Jahre geworden. Und aus dem schüchternen Speisenträger von einst wurde eine Institution mit breiter Brust und selbstsicherem, selbstverständlichem, niemals aber aufdringlichem Auftreten. Brotsommelier – so nennen ihn die Kollegen ob seiner reichhaltigen Kenntnisse inzwischen voller Res-pekt, Brot-Andi – so nennen ihn viele Stammgäste liebevoll. Er selbst bezeichnet sich augenzwinkernd ganz gerne auch als „gelernten Aufschneider“, der mit dem Vor vor den Vorspeisen durch das Lokal rollt.

Dieser Aufschneider gibt nun also zu Mittag und am Abend mit Brot an. Sozusagen. Zu Mittag meist mit knapp 20 verschiedenen Sorten, am Abend dann sind es einige mehr, mitunter sogar bis zu 25. Vier Sorten stammen dabei aus der haus-eigenen Produktion. Das unsagbar saftige Blunzenbrot, die riesengroßen Laugenbrezen, das glutenfreie Erdäpfelbrot mit Schnittlauch und Sauerrahm sowie das Weißbrot mit Lavendel, wobei der hierbei verwendete Lavendel im Kräutergarten auf dem Dach des Steirerecks wächst. Der Rest kommt aus den Backstuben von aktuell sieben verschiedenen, mehr oder weniger kleinen Bäckereien in und um Wien.

Es kommt nichts ins Haus, was zuvor nicht außer Haus beäugt, gekostet, begutachtet und in letzter Konsequenz für gut befunden wurde. „Ich kenne sozusagen jede Backstube unserer Bäcker persönlich. Ich möchte mir ein Bild machen, wie in den Betrieben gearbeitet wird, ich möchte die Herkunft der Ware kennen und die Art der Entstehung“, sagt der Brot-Andi und ist stolz darauf, im Lauf der Jahre bei seinen mehligen Fact-Finding-Missionen so manche großartige Entdeckung gemacht zu haben.

„Anfangs war es noch so, dass wir zu einem großen Teil Brot von Bäckern bezogen haben, die auch andere gastronomische Betriebe belieferten. Aber wir waren mit der Qualität nicht immer zufrieden.“ Und so machte sich der Andi auf die Suche und fand immer öfter kleine Betriebe, die Brot produzierten, das im Steirereck schmeckte. Heute ist Joseph Brot der einzige Lieferant mit vergleichsweise weithin bekanntem Namen. Die meisten anderen sind quasi Insider- und Geheimtipps. Wie Denise Pölzelbauer aus Bad Erlach, Schweighofer-Steiner aus Tulln oder die Bäckerei Reiter aus Korneuburg.

„Beim Brot“, sagt Andi, „kommt es auf den Geruch an, auf die Kruste und auf die Flaumigkeit. Wesentlich ist auch der Drucktest. Wenn man in die Krume drückt, darf diese nicht allzu viel nachgeben.“

Ganz wesentlich ist freilich auch die Wahl der Messer. „Ich verwende fünf verschiedene“, erklärt Andreas, der dennoch stets sechs Messer auf seinem Brotwagen mitführt. Doch eines davon dient mehr oder weniger der Zierde – das wertvolle Brotmesser aus dem auf Bali ansässigen österreichischen Unternehmen „Blades Of The Gods“. „Natürlich könnte ich es auch verwenden, aber dieses Messer braucht unendlich viel Pflege, wenn es im Einsatz war. Deswegen verzichte ich meist auf dieses Prachtstück und zeige es lieber nur her.“

Kein Prachtstück, aber unverzichtbar, ist jenes Messer, das der Brot-Andi vor Jahren um drei Euro bei einem Diskonter erstanden hat. „Es hat sich als Glücksfall für jede Form von Ciabatta erwiesen, das insofern nicht leicht zu schneiden ist, als gutes Ciabatta außen sehr knusprig und innen sehr weich ist. Da läuft man stets Gefahr, das Brot zu zerquetschen, oder es zu zerreißen. Aber nicht mit diesem Messer, mit diesem Messer schneidet sich das Brot wie weiche Butter.“ Jeweils ein eigenes Messer gibt es für das Blunzenbrot sowie für das glutenfreie Weißbrot. „Weil’s beim Blunzenbrot meist ein bisserl eine Sauerei gibt. Und das Glutenfreie darf natürlich nicht kontaminiert werden.“ Schließlich gibt’s noch ein Modell für filigranes, eines für gröberes Schneiden.

Bei Andreas zu Hause türmen sich indes die Brotmesser in den Küchenladen. „Irgendwann habe ich begonnen, solche zu sammeln. Inzwischen besitze ich knapp 30 Stück und es ist – zum Leid-wesen meiner Frau – kein Ende in Sicht. Aber wie es aussieht, bestimmt Brot eben in gewisser Weise mein Leben.“

Beim Brot kommt es auf den Geruch an, auf die Kruste und auf die Flaumigkeit. Wesentlich ist auch der Drucktest. Wenn man in die Krume drückt, darf diese nicht allzu viel nachgeben.

Andreas Djordjevic

Bevor der Brot-Andi, egal ob nun zu Hause oder im Betrieb, einen Laib Schwarzbrot anschneidet, ritzt er auf der Unterseite mit der Messerspitze drei kleine Kreuze in die Rinde. Das verwirrt so manchen Gast, der fragt dann nach. Andere wiederum kennen diesen Brauch und zeigen sich erfreut. „Wie lange hab’ ich das nun schon nicht mehr gesehen…“, lautet ein Satz, den Andreas Djordjevic häufig hört.

„Ich segne das Brot“, erklärt er. „Ich erweise ihm meinen Respekt.“ Ein Ritual, das er noch von seiner Großmutter her kennt und das, seit er denken kann, eine Selbstverständlichkeit für ihn darstellt. Und ein Ritual, das – jedenfalls in Österreich – nur bei Schwarzbrot seine Gültigkeit hat. „In Serbien, der Heimat meines Vaters, wird hingegen auch Weißbrot gesegnet.“

Was nun den täglichen Umgang mit den Gästen betrifft, so gibt es verschiedene Zugänge. Verschiedene Typen. „Manche Gäste sind neugierig und wollen genau informiert werden. Die reden gern mit mir über das Brot. Andere wiederum bevorzugen gerad-liniges Service, zeigen auf das Brot, das sie wollen, und schon bin ich quasi wieder weg“, erzählt Andreas vom Alltag. „Oft spüre ich dabei schon im Vorfeld, was auf mich zukommt.“ So etwas nennt man Erfahrung oder Menschenkenntnis.

Was dem Andi im Zusammenhang mit seinem Beruf ganz besonders wichtig ist, ist der Umstand, dass nichts, aber auch rein gar nichts, verkommt. Weißbrot, das übrig bleibt, wird zu Bröseln verarbeitet, Schwarzbrot beispielsweise zu Croutons. „In Wahrheit aber haben wir es recht gut im Griff. Insofern, als wir gut einschätzen können, wie viel wir tagtäglich brauchen.“

Das Brot, das von den Gästen nicht aufgegessen wird und auf diese Weise zurückkommt, wird übrigens auch nicht weggeworfen. Das wird gesammelt, in die Steiermark ins Steirereck auf den Pogusch geliefert und dort den Schafen und Schweinen verfüttert. „So schließt sich der Kreis“, sagt der Brot-Andi. „Und das ist gut und richtig so.“

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